Wer im richterlichen Eildienst untergebracht und fixiert wird, ohne dass ein Verfahrenspfleger beteiligt ist, kann deswegen nicht unbedingt Schadensersatz verlangen. Dies zeigt ein vom Landgericht (LG) Lübeck entschiedener Fall.
Ein Mann wurde durch das Gesundheitsamt gegen seinen Willen in eine Klinik eingewiesen, nachdem er sich aggressiv gegenüber seinen Eltern verhalten hatte. Das Gesundheitsamt informierte das zuständige Amtsgericht (AG) von der Unterbringung. Denn eine solch einschneidende Maßnahme bedarf einer gerichtlichen Entscheidung. Beim AG wurde das Verfahren durch den richterlichen Bereitschaftsdienst übernommen. Dieser ist für eilige Entscheidungen außerhalb der regulären Geschäftszeiten zuständig.
Der Bereitschaftsrichter wollte den Mann noch am selben Abend anhören und eine Entscheidung treffen. Um die Rechte des Mannes ausreichend zu schützen, war der Richter verpflichtet, ihm zuvor einen so genannten Verfahrenspfleger als Interessenvertreter zu organisieren. Zwar erklärte sich ein Rechtsanwalt zur Übernahme der Verfahrenspflegschaft bereit. Er hatte aber an diesem Abend keine Zeit. Trotzdem hörte der Richter den Mann an und ordnete dessen weitere Unterbringung für längstens weitere fünfeinhalb Wochen an.
Am folgenden Tag wurde der Mann in der Klinik mittels Gurten um den Bauch sowie an seinen Hand- und Fußgelenken fixiert. Die Klinik informierte das zuständige AG. Wieder war der richterliche Bereitschaftsdienst zuständig. Erneut hörte der zuständige Richter den Mann an, ohne ihm zuvor einen Verfahrenspfleger an die Seite zu stellen und ordnete dessen Fixierung bis längstens zum übernächsten Tag an.
Der Mann wehrte sich vor dem LG Lübeck gegen die Anordnungen des Bereitschaftsrichters. Mit Erfolg: Insbesondere bewerteten die Richter die Anordnung der Fixierung des Mannes als rechtswidrig. Vor der gerichtlichen Entscheidung hätte zwingend einen Verfahrenspfleger hinzugezogen werden müssen.
Der Kläger begehrte nunmehr in einem weiteren Verfahren vor dem LG Lübeck Schmerzensgeld wegen der Maßnahmen. Hiermit hatte er keinen Erfolg.
Das Gericht führt aus, dass es die Entscheidungen des Richters im Bereitschaftsdienst nur eingeschränkt überprüfen dürfe. Es komme nicht darauf an, ob die Entscheidung sachlich richtig, sondern ob sie vertretbar sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Entscheidungen über die Unterbringung und Fixierung von Personen kurzfristig erfolgen müssten. Anderenfalls drohte in der Regel eine Gefahr für den Betroffenen oder Dritte. Der Mann könne daher nur dann Schadensersatz verlangen, wenn dem Bereitschaftsrichter eine grobe Pflichtverletzung vorzuwerfen wäre.
Dies sei hier nicht der Fall. Insbesondere folge dies nicht aus der fehlerhaften Nichtbeteiligung eines Verfahrenspflegers. Der Richter habe schließlich erfolglos versucht, einen Verfahrenspfleger zu organisieren. Diesbezüglich berücksichtigte das LG, dass es – anders als für die Richter – im Bezirk des zuständigen AG keinen Bereitschaftsdienst für Verfahrenspfleger gab. Hätte der Richter mit der Anhörung weiter gewartet, hätten die Unterbringung und die Fixierung des Mannes nicht mit der gebotenen Unverzüglichkeit gerichtlich überprüft werden können. Die Anhörung und Entscheidung in Abwesenheit eines Verfahrenspflegers sei unter diesen Umständen die beste Möglichkeit zum Schutz der Rechte des Klägers gewesen.
Landgericht Lübeck, Urteil vom 15.02.2024, 5 O 219/22, nicht rechtskräftig