Da die berechtigten Erwartungen an eine Reise auch in Relation zum Reisepreis zu sehen sind, kann ein Mangel (hier: Umzug in anderes Hotel wegen Überbuchung) bei einer billigen Pauschalreise weniger ins Gewicht fallen als bei einer höherpreisigen Reise. Dies zeigt ein vom Amtsgericht (AG) München entschiedener Fall.
Eine Frau hatte bei einem Reisebüro für 740 Euro pro Person eine einwöchige Pauschalreise für sich und eine Bekannte nach Sizilien gebucht. Weil das gebuchte Hotel überbucht war, seien sie am Ankunftstag in einem Alternativhotel untergekommen, was sie 208 Euro gekostet habe, so die Kundin. Am nächsten Tag sei ihnen ein Zimmer in einem circa 100 Meter entfernt gelegenen Hotel zur Verfügung gestellt worden. Dieses habe jedoch keinen Meerblick gehabt, sondern ein Fenster zum Hinterhof mit lauten, stinkenden Gänsen. Erst einen Tag später hätten sie ein akzeptables Zimmer beziehen können. Vorgerichtlich erstattete der Reiseveranstalter 230 Euro. Die Reisende begehrte weitere 400 Euro zurück.
Das AG München verneinte einen solchen Anspruch. Der Reisepreis könne nur in Höhe von rund 115 Euro gemindert werden. Die Leistungsänderung durch Unterbringung in einem anderen als dem vom Reisenden gebuchten Hotel stelle einen Reisemangel dar. Der Reisende, der vor der Reisebuchung regelmäßig verschiedene Angebote vergleicht, entscheide sich gezielt für ein bestimmtes Hotel und buche nicht lediglich irgendein Hotel einer bestimmten Kategorie an einem bestimmten Ort. Entscheidungskriterien könnten dabei zum Beispiel die Lage, der Renovierungszustand, die Zimmergröße, die Ausstattung, die Verpflegung, der Service und noch weitere Faktoren sein.
Wenn man davon ausgeht, dass das Hotel tatsächlich überbucht war und deshalb der zweimalige Umzug der Klägerin und ihrer Mitreisenden erforderlich war, so erachtet das Gericht für den ersten Reisetag eine Minderung in Höhe von 50 Prozent des Tagesreisepreises, also 46,25 Euro, und für den zweiten Reisetag eine Minderung in Höhe von 75 Prozent des Tagesreisepreises, also 69,37 Euro als angemessen. Der Umzug sei jeweils mit Unannehmlichkeiten verbunden gewesen. Sonstige Qualitätsunterschiede seien nicht vorgetragen.
Die gerichtlich vorgenommene Differenzierung zwischen den beiden Tagen beruhe auf der Erwägung, dass nur am zweiten Tag Reisegepäck aus- und wiedereingepackt werden musste und – ausgehend vom klägerischen Vortrag – eine Belästigung durch Gänse auf dem Hinterhof gegeben war. Dass ein Zimmer mit Meerblick gebucht worden wäre, ergebe sich aus den vorgelegten Reiseunterlagen nicht. Das Nichtvorhandensein des Meerblicks fließe somit nicht in die Bewertung des Mangels ein. Die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 230 Euro übersteige den Minderungsanspruch. Dieser sei daher bereits erfüllt und erloschen.
Auch den Anspruch auf Schadensersatz wegen der Aufwendungen für die Übernachtung in einem anderen Hotel in der ersten Nacht habe das Reisebüro bereits durch die vorgerichtliche Zahlung erfüllt. Ein weitergehender Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude sei nicht geltend gemacht und scheitere zudem daran, dass der Reisemangel, der die ersten beiden Reisetage betraft, nicht die gesamte Reise erheblich beeinträchtigt habe. Ab dem dritten Reisetag hätten die Klägerin und ihre Mitreisende die Reise unbeschwert genießen können, so das Gericht. Ferner sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine relativ günstige Pauschalreise handelte. Die berechtigten Erwartungen an eine Reise seien auch in Relation zum Reisepreis zu sehen.
Soweit die Klägerin Ansprüche ihrer Mitreisenden geltend macht, fehle es an ihrer Aktivlegitimation. Die Klägerin habe die Buchung vorgenommen. Wegen der Namensverschiedenheit der beiden Reisenden sei jedoch nicht von einer Familienreise auszugehen, sondern von zwei eigenständigen Reiseverträgen, die die Klägerin für sich und als Vertreterin ihrer Mitreisenden für diese abschloss.
Amtsgericht München, Urteil vom 03.11.2023, 264 C 17870/23, rechtskräftig