Die von einem Versicherer in dem von ihm angebotenen Tarif einer Rentenversicherung praktizierte Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Überschüssen ist zulässig. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Weiter heißt es in dem Urteil, Klauseln zur Verrechnung von Abschluss- und Vertriebskosten (so genannte Zillmerung) sowie zum Stornoabzug, die der Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen verwendet, seien wirksam.
Ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 Unterlassungsklagengesetz eingetragener Verein und ein Versicherer streiten über die Ausgestaltung und Abwicklung von Rentenversicherungsverträgen in einem von dem Versicherer angebotenen Tarif. Der Verein wendet sich insbesondere gegen die vom Versicherer in diesem Tarif praktizierte Überschussbeteiligung. In dieser sieht er einen Verstoß gegen die Vorgaben des § 6 Absatz 1 Satz 1 Mindestzuführungsverordnung (MindZV) sowie eine Verletzung des aufsichtsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 138 Absatz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) und der in § 153 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vorgesehenen Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren. Hintergrund ist die Praxis des Versicherers, bei der jährlichen Zuweisung der Überschüsse auf die überschussberechtigten Verträge den Versicherungsverträgen mit einem höheren Rechnungszins eine in Prozent ihres Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zuzuteilen als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins.
Die Parteien streiten daneben über die Wirksamkeit diverser Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen. Unter anderem geht es um eine Regelung, nach der die Abschluss- und Verwaltungskosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer verteilt werden, sowie über die Bestimmungen zum so genannten Stornoabzug bei Beitragsfreistellung und Kündigung.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Versicherer unter anderem zur Unterlassung der Verwendung von Teilen der Klauseln in den Versicherungsbedingungen zum Stornoabzug verurteilt. Die von ihm praktizierte Beteiligung der Versicherungsverträge unterschiedlicher Tarifgenerationen an den Überschüssen hat es hingegen als wirksam angesehen und die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil geändert und den Versicherer zur Unterlassung der Verwendung weiterer Teilklauseln in den von ihm verwendeten Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblättern und Versicherungsinformationen verurteilt; die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien sind erfolglos geblieben. Dagegen legten beide Parteien Revision ein.
Der BGH hat die Revision des Vereins im Wesentlichen zurückgewiesen, derjenigen des Versicherers dagegen teilweise stattgegeben.
Er hat entschieden, dass die vom Verein angegriffene Praxis der Überschussverteilung nicht gegen die Bestimmung des § 6 Absatz 1 Satz 1 MindZV verstößt. Dieser sei nicht die Vorgabe zu entnehmen, bei der Verteilung der Überschüsse die für die Bedienung der einzelnen Versicherungsverträge mit den jeweils vereinbarten rechnungsmäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen und nur den verbleibenden Teil als Überschuss zu verwenden. Die vom Versicherer geübte Praxis, Tarifgenerationen mit unterschiedlichem Garantiezins eine einheitliche Gesamtverzinsung zuzuteilen, soweit diese nicht hinter dem Garantiezins zurückbleibt, sei dabei sowohl mit § 138 Absatz 2 VAG als auch mit § 153 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 VVG vereinbar. Weder der aufsichtsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch die Beteiligung der Versicherten am Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren verböten zudem im Grundsatz eine „risikoadjustierte Gesamtverzinsung“, bei der den Verträgen mit einer höheren Garantieverzinsung eine in Prozent ihres Deckungskapitals geringere Überschussbeteiligung zugeteilt wird als den Verträgen mit einem niedrigeren Rechnungszins.
Der BGH hat zudem entschieden, dass die vom Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen verwendete Klausel, nach der die Abschluss- und Vertriebskosten in gleichmäßigen Jahresbeträgen über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren, jedoch nicht länger als bis zum Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer verteilt werden, der Inhaltskontrolle nach § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) standhält. Insbesondere weiche die Klausel nicht im Sinne des § 171 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 169 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 1 VVG ab. Die letztgenannte Bestimmung enthalte keine Regelung für Verträge, bei denen die Prämie in einem Einmalbeitrag entrichtet wird oder bei denen die vereinbarte Prämienzahlungsdauer weniger als fünf Jahre beträgt.
Auch die vom Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen verwendeten Klauseln zum Stornoabzug für erhöhte Verwaltungsaufwendungen bei Beitragsfreistellung und Kündigung sind laut BGH wirksam und halten einer Inhaltskontrolle – auch am Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB – stand. Transparenzbedenken ergäben sich insbesondere nicht daraus, dass die Klauseln mit ihrer jeweiligen Regelung zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe des Stornoabzugs die Folgen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hinreichend verständlich machten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2024, IV ZR 436/22