Für den „Nachweis“ des Zusammenhangs zwischen einer Unterschenkelvenenthrombose und einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 genügt zwar der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit. Fehlende konkurrierende Ursachen reichen aber nicht aus. Dies stellt das Landessozialgericht (LSG) Bayern klar.
Der Kläger wurde mit dem Impfstoff Comirnaty gegen Covid-19 geimpft. Etwa zwei Wochen später wurde bei ihm eine Unterschenkelvenenthrombose diagnostiziert. Er beantragte daraufhin die Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens. Das lehnte der beklagte Freistaat Bayern ab: Nach den Erkenntnissen des Paul-Ehrlich-Instituts für den Impfstoff Comirnaty ergebe sich keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen. Auch der Widerspruch, den der Kläger im Wesentlichen damit begründet hatte, dass sich die Beschwerden bereits wenige Tagen nach der Impfung eingestellt hätten, blieb erfolglos. Das Sozialgericht München wies die Klage ab, nachdem der mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragte Internist zu dem Ergebnis gekommen war, dass im direkten Anschluss an die Impfung keine Gesundheitsstörung dokumentiert worden sei.
Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, nachdem auch die von ihm beauftragte Kardiologin in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, dass die vom Kläger erlittene Unterschenkelvenenthrombose nach den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin in keinem kausalen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty stehe.
Die Anerkennung als Impfschaden gemäß § 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz (IfSG) setze voraus, dass die Schutzimpfung zu einer gesundheitlichen Schädigung, also einem „Primärschaden“ in Form einer Impfkomplikation geführt habe, die wiederum den „Impfschaden“, das heißt die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also einen „Folgeschaden“ bedinge. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsse im Vollbeweis nachgewiesen sein, so das LSG. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich sei ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch am Vorliegen der Tatsachen zweifele und somit eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliege. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den drei Gliedern der Kausalkette reiche nach § 61 Satz 1 IfSG der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus.
Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte sich das LSG nicht davon überzeugen, dass beim Kläger ein Impfschaden vorliegt, weil es bereits am Nachweis einer Primärschädigung fehle. Die Beinvenenthrombose, die beim Kläger bestanden habe und die in einem gewissen – durchaus relativ engen – zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sei, sei nicht Folge seiner Impfung gegen Covid-19. Ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang sei nicht gegeben.
Die Sachverständige habe plausibel dargelegt, dass es zwar Hinweise darauf gebe, dass Impfstoffe das generelle Thromboserisiko erhöhten. Die teilweise lebensgefährlichen Thrombosen nach Covid-19-Impfungen vor allem in hierfür ungewöhnlichen Venen beruhten auf der Auslösung der Bildung von Autoantikörpern durch speziell in den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca-Vaccephrin) enthaltenen adenoviralen Antigenen. Hierdurch könne eine Signalkaskade ausgelöst werden, die zu einer massiven Thrombozytenaktivierung führe mit einerseits Thrombenbildung und andererseits Thrombozytenmangel im Blut mit Blutungsneigung.
Eine derartige Konstellation mit Thrombose, Nachweis von Autoantikörpern gegen den Thrombozytenfaktor 4 und Thrombozytenmangel sei beim Kläger aber nicht festgestellt worden. Vielmehr habe eine normale Thrombozytenzahl bestanden. Vor allem habe die Sachverständige darüber hinaus überzeugend dargestellt, dass eine solche Konstellation beim Kläger auch nicht zu erwarten gewesen sei, da er nicht mit einem Vektorimpfstoff, sondern mit dem mRNA-Impfstoff geimpft worden sei. Die Sachverständige habe nachvollziehbar festgestellt, dass nach Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff eine derartige thrombogene Konstellation so gut wie nie beobachtet worden sei. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen gebe es keine seriöse wissenschaftliche Lehrmeinung.
Das LSG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.04.2024, L 15 VJ 2/23