Bestimmte Regeln der FIFA über den Transfer von Spielern könnten sich als unionsrechtswidrig erweisen. Diese Regeln seien einschränkenden Charakters und ließen sich nur unter bestimmten Umständen rechtfertigen, so Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Maciej Szpunar.
Ein früherer Berufsfußballspieler ficht die Regeln für die Vertragsbeziehungen zwischen Spielern und Vereinen an. Die fraglichen Regeln, das „FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern“ (RSTP), wurden von der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) erlassen, einem auf weltweiter Ebene für die Organisation von Fußballwettbewerben zuständigen Verband.
Diese Regeln, die sowohl von der FIFA als auch von ihren Mitgliedern, den nationalen Fußballverbänden, umgesetzt werden, gelten unter anderem für den Fall, dass ein Rechtsstreit zwischen einem Spieler und einem Verein über die Auflösung eines Vertrags ohne triftigen Grund vorliegt. In solchen Fällen haften der Spieler und jeder Verein, der ihn verpflichten möchte, gesamtschuldnerisch für jede Entschädigung, die dessen ehemaligem Verein zusteht. Im Fall der Nichteinhaltung können gegen den Spieler und den neuen Verein sportliche und finanzielle Sanktionen verhängt werden. Zudem kann der Verband, dem der ehemalige Verein des Spielers angehört, gegenüber dem neuen Verband, bei dem der neue Verein des Spielers registriert ist, die Ausstellung eines internationalen Freigabescheins verweigern, solange der Rechtsstreit mit dem ehemaligen Verein anhängig ist.
Der Berufsfußballspieler hatte sich beim russischen Fußballverein Lokomotiv Moskau verpflichtet – doch wurde dieser Vertrag nur ein Jahr später von diesem Verein wegen eines angeblichen Vertragsbruchs und einer angeblichen „Vertragsauflösung ohne triftigen Grund“ aufgelöst. Lokomotiv Moscow beantragte bei der Kammer der FIFA zur Beilegung von Streitigkeiten eine Entschädigung, und der Spieler erhob Widerklage auf Zahlung der ausstehenden Gehälter. Er behauptet, dass sich die Suche nach einem neuen Verein als schwierig erwiesen habe, da nach dem RSTP jeder neue Verein gesamtschuldnerisch mit ihm für die Zahlung einer Entschädigung für Lokomotiv Moskau haftbar gemacht würde. Ein möglicher Vertragsabschluss mit dem belgischen Verein Sporting du Pays de Charleroi sei aufgrund der RSTP-Bedingungen nicht zustande gekommen. Der Spieler hat die FIFA und den belgischen Fußballverband URBSFA vor einem belgischen Gericht auf Schadensersatz und Verdienstausfall in Höhe von sechs Millionen Euro verklagt.
Generalanwalt Szpunar schlägt dem EuGH vor, auf die vom belgischen Gericht vorgelegten Fragen zu antworten, dass sich die FIFA-Regeln für die Vertragsbeziehungen zwischen Spielern und Vereinen als mit den unionsrechtlichen Vorschriften über den Wettbewerb und die Freizügigkeit unvereinbar erweisen können.
Hinsichtlich der Freizügigkeit könne kein Zweifel am restriktiven Charakter des RSTP bestehen. Diese Bestimmungen seien so gestaltet, dass sie Vereine aus Furcht vor einem finanziellen Risiko davon abschreckten oder abhielten, den Spieler zu verpflichten. Die potenziellen sportlichen Sanktionen gegen Vereine, die einen Spieler verpflichteten, könnten einen Spieler tatsächlich daran hindern, seinen Beruf bei einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben.
In Bezug auf die Wettbewerbsregeln kommt Szpunar zu dem Ergebnis, dass die RSTP schon ihrem Wesen nach für Spieler die Möglichkeit des Vereinswechsels einschränkten, und umgekehrt für (neue) Vereine die Möglichkeit der Verpflichtung eines Spielers in einem Fall, wenn er seinen Vertrag ohne triftigen Grund aufgelöst habe. Indem das RSTP für Vereine die Möglichkeit der Verpflichtung von Spielern einschränke, beeinträchtige es zwangsläufig den Wettbewerb zwischen Vereinen auf dem Markt für die Verpflichtung von Berufsspielern.
Die Wettbewerbsbeschränkungen könnten nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie eine Beschränkung des Wettbewerbs zwischen Vereinen bewirkten und nachweislich für die Verfolgung eines oder mehrerer Ziele erforderlich seien, die legitim und für diesen Zweck unbedingt notwendig seien. Desgleichen könnten die Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer gerechtfertigt sein, wenn bewiesen sei, dass es möglich sei, die Regel zur gesamtschuldnerischen Haftung nicht anzuwenden, wenn nachgewiesen werde, dass der neue Verein nicht an der vorzeitigen und ungerechtfertigten Auflösung des Vertrags des Spielers beteiligt gewesen sei. Die Regeln für die Ausstellung des internationalen Freigabescheins könnten gerechtfertigt sein, wenn bewiesen werden könne, dass wirksame, tatsächliche und zügige einstweilige Maßnahmen in einem Fall ergriffen werden könnten, in dem lediglich behauptet worden sei, dass ein Spieler Bedingungen des Vertrags nicht eingehalten habe, was zu dessen Auflösung durch den Verein geführt habe.
Generalanwalt beim Gerichtshof der Europäischen Union, Schlussanträge vom 30.04.2024, C-650/22