Ein AfD-Abgeordneter im niedersächsischen Landtag ist mit seinem Begehren gescheitert, die Vornamen von Tatverdächtigen aus der Silvesternacht 2022/2023 mitgeteilt zu bekommen. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof sah sein Frage- und Informationsrecht gegenüber der Landesregierung nicht verletzt.
In der Silvesternacht 2022/2023 war es in Niedersachsen an mehreren Orten zu Übergriffen auf Einsatzkräfte gekommen. Die Landesregierung teilte hierzu im Landtag mit, dass 35 Tatverdächtige ermittelt worden seien, darunter 19 Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit.
Der AfD-Abgeordnete Stephan Bothe begehrte mit einer Kleinen Anfrage Auskunft über die Vornamen dieser 19 Tatverdächtigen. Die Landesregierung lehnte die Nennung der Vornamen unter Verweis auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und die insofern geltende Unschuldsvermutung ab. Darin sah Bothe eine Verletzung seines verfassungsrechtlichen Frage- und Informationsrechts. Mit seinem Antrag im Organstreitverfahren hat er die Feststellung dieser Rechtsverletzung begehrt.
Der Antrag hatte vor dem Staatsgerichtshof keinen Erfolg. Die Landesregierung habe das Auskunftsrecht des Antragstellers nicht verletzt. Sie sei berechtigt gewesen, die Nennung der Vornamen der ermittelten Tatverdächtigen zu verweigern, so der Staatsgerichtshof. Angesichts der aus unterschiedlichen Quellen bereits in der Öffentlichkeit bekannten Informationen zu den Geschehnissen in der Silvesternacht 2022/2023 habe bei Bekanntgabe der Vornamen im Parlament die konkrete Gefahr einer Identifizierung einzelner Personen bestanden. Darin liege ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und das daraus folgende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen.
Der angesichts der massiven Auswirkungen, die die Identifizierung für die Betroffenen haben kann, erhebliche Grundrechtseingriff sei nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. Das parlamentarische Informationsinteresse müsse im Einzelfall von besonders hohem Gewicht sein, betont der Staatsgerichtshof. Fehlt es an einem überwiegenden Interesse an der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen, komme auch eine vertrauliche Unterrichtung nicht in Betracht, zumal Beschuldigten in einem Strafverfahren mit Blick auf die Unschuldsvermutung vor Erhebung einer Anklage besonderer Schutz gebühre. Das vom Abgeordneten Bothe geltend gemachte abstrakte politische Ziel der Zuordnung möglicher Straftäter zu einem bestimmten Milieu als Grundlage für einen allgemeinen politischen Diskurs sei kein derartiges, besonders gewichtiges, die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegendes Informationsinteresse.
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 02.05.2024, StGH 3/23