Mindestanforderungen im Hinblick auf die Verfassungstreuepflicht muss auch der Bewerber für einen nicht im Beamtenverhältnis ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst erfüllen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden und das Begehren eines sich aktiv für die Partei „Der III. Weg“ betätigenden Mannes zurückgewiesen.
Der Kandidat bewarb sich nach Abschluss seines Jurastudiums beim Oberlandesgericht (OLG) Bamberg um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst. Dieser wird in Bayern im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis durchgeführt. Doch der Präsident des OLG lehnte den Antrag ab: Der Kläger sei in hervorgehobenen Funktionen für die Partei „Der III. Weg“ tätig gewesen und seine verfassungsfeindliche Gesinnung sei auch in von ihm gehaltenen Reden deutlich geworden. Dadurch habe er sich als derzeit ungeeignet für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst erwiesen.
Der Antrag des abgewiesenen Bewerbers auf Eilrechtsschutz sowie eine nachfolgend erhobene Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieben ohne Erfolg. Nach seiner Zulassung zum Vorbereitungsdienst in einem anderen Bundesland verfolgt der Mann sein Begehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Damit ist er in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Inzwischen ist er als Anwalt tätig.
Das BVerwG hat die Revision des Mannes zurückgewiesen. Für Referendare, die den juristischen Vorbereitungsdienst nicht im Beamtenverhältnis ableisten, gölten die strengen beamtenrechtlichen Anforderungen an die Verfassungstreuepflicht nicht. Ungeachtet des Umstands, dass sie keine dauerhafte Beschäftigung für den Staat anstreben und der Vorbereitungsdienst einen notwendigen Abschnitt zur Erlangung der Qualifikation als „Volljurist“ darstellt, nähmen aber auch diese Referendare an der staatlichen Funktion der Rechtspflege teil. Sie hätten daher Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht zu erfüllen – und dürften sich insbesondere nicht aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigen.
Die Beteiligten eines Rechtsstreits hätten ein Recht darauf, dass niemand an der Bearbeitung ihrer Angelegenheiten mitwirkt, bei dem begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder aktiv unterstützt. Die Anforderungen für die Aufnahme eines an der staatlichen Rechtspflege teilhabenden Rechtsreferendars könnten damit andere sein als diejenigen für die Zulassung eines Rechtsanwalts.
Begründete Zweifel an der erforderlichen Mindesttreuepflicht des Klägers ergeben sich für das BVerwG bereits aus der aktiven Mitgliedschaft in der Partei „Der III. Weg“. Dies ergebe sich aus den politischen Zielen dieser Partei, die von den zuständigen Verfassungsschutzbehörden als extremistisch bewertet wird, und der am „Führerprinzip“ ausgerichteten internen Parteistruktur. Das Parteiprogramm beruhe insbesondere auf der Vorstellung der Ungleichwertigkeit von Menschen und der daran anknüpfenden rechtlichen Ungleichbehandlung, die gegen Grundwerte der Verfassung verstößt.
Der Umstand, dass die Partei nicht vom BVerfG verboten worden ist, stehe dieser Einschätzung nicht entgegen. Das Parteienprivileg aus Artikel 21 Absatz 2 und 4 des Grundgesetzes sperre nur die Rechtsfolgen, die sich aus einem (erfolgreichen) Parteiverbotsverfahren ergeben würden. Mittelbare Beeinträchtigungen umfasse der Gewährleistungsgehalt der verfassungsrechtlichen Bestimmungen dagegen nicht. Aus dem Parteienprivileg folge nicht, dass jedes Parteimitglied bis zum Parteiverbot als verfassungstreu behandelt werden müsste.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.10.2024, 2 C 15.23