Ein Handwerksbetrieb, der im Frühjahr 2020 Corona-Soforthilfen NRW erhalten, später seinen tatsächlichen Liquiditätsengpass zurückgemeldet und einen entsprechenden Schlussbescheid über eine (Teil)-Rückzahlung bekommen, hiergegen aber keine Klage erhoben hatte, hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen seines Verfahrens. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden und die Berufung der Betriebsinhaberin gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen nicht zugelassen. Die Klage ist damit rechtskräftig abgewiesen.
Zahlreiche Empfänger von Soforthilfen, die sich in der einleitend beschriebenen Situation befanden, hätten später von den Bezirksregierungen ein Wiederaufgreifen ihrer Verfahren begehrt, erläutert das OVG. Hintergrund dieser Begehren sei gewesen, dass einige Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht rechtzeitig angegriffene Schlussbescheide für rechtswidrig gehalten hätten. Die Bezirksregierungen hätten ein Wiederaufgreifen jeweils abgelehnt. Mittlerweile hätten verschiedene Verwaltungsgerichte entschieden, dass die im Ermessen der Behörden stehende Ablehnung des Wiederaufgreifens rechtlich nicht zu beanstanden war. Nun habe sich erstmals das OVG mit dieser Problematik befasst.
Hinsichtlich der gesetzlichen Ermächtigung zum Wiederaufgreifen bestandskräftig abgeschlossener Verfahren bestehe für den Betroffenen grundsätzlich nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung, und nur in besonderen – hier nicht gegebenen – Ausnahmefällen ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen, führt es aus. Das der materiellen Einzelfallgerechtigkeit gegenläufige Gebot der Rechtssicherheit sei ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit. Aus ihm folge die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit unanfechtbarer Verwaltungsakte. Der Gesetzgeber räume bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stünden vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Ist die Aufrechterhaltung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts nicht „schlechthin unerträglich“, so sei es in aller Regel – und so auch hier – ermessensfehlerfrei, wenn die Behörde an der Bestandskraft ihrer Bescheide generell festhält und damit dem Aspekt der Rechtssicherheit den Vorzug gibt, obwohl sie sich in der später ergangenen Rechtsprechung als rechtswidrig erwiesen haben.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.07.2024, 4 A 1764/23, unanfechtbar