Ein Apotheker stellt ein in Deutschland nicht zugelassenes Krebsmedikament her und verkauft es. Darf er das? Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main meint ja: Das Interesse individuell betroffener Krebspatienten am vorübergehend fortgesetzten Inverkehrbringen eines nicht zugelassenen Krebsmedikaments könne das Interesse der Verbraucher an der Einhaltung der Zulassungsvorschriften für Medikamente überwiegen.
Ein qualifizierter Wirtschaftsverband hatte einen Apotheker in einem Eilverfahren auf Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs eines nicht zugelassenen Arzneimittels zur Behandlung einer seltenen, insbesondere bei Kindern auftretenden tödlichen Tumorerkrankung in Anspruch genommen.
Im Rahmen der in diesem Zusammenhang gebotenen Interessenabwägung hat das OLG das Interesse des individuell betroffenen Patienten an einem vorübergehend fortgesetzten Inverkehrbringen des nicht zugelassenen Arzneimittels als gewichtiger bewertet. Demgegenüber trete das Interesse der Verbraucher an der Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsverfahrens und dem damit verbundenen Schutzgedanken zurück. Das Interesse des sehr kleinen Verbraucherkreises der tatsächlich betroffenen Patienten einer seltenen Krebsart mit einer medianen Überlebensrate von zehn Monaten gehe vor.
Das Risiko von Beeinträchtigungen und Tod durch Nebenwirkungen verblasse angesichts des sicheren Todes durch die Krebserkrankung ohne alternative Heilungsmöglichkeit. Das Arzneimittel verspreche jedenfalls eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder jedenfalls Stabilisierung. Angesichts der verfassungsrechtlich verbürgten Verpflichtung des Staats und damit auch der Gerichte zum Schutz des Lebens als grundgesetzlichem Höchstwert könne die Versorgung der Patienten bis zum Ausgang eines Hauptsacheverfahrens nicht einstweilen ausgesetzt werden, so das OLG. Hier falle insbesondere ins Gewicht, dass außer Frage stehe, dass das nicht zugelassene Medikament eine Heilungschance biete, und dass glaubhaft gemacht sei, dass nur solche Patienten damit versorgt würden, denen keine andere Behandlungsmöglichkeit mehr zur Verfügung stehe.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.04.2025, 6 UKl 2/25, unanfechtbar