Das Landgericht (LG) Berlin II hat auf die Berufung eines 85-jährigen Mieters eine Räumungsklage der Vermieterin abgewiesen. Die wegen (vermeintlicher) Verletzung der Pflicht zur Duldung von Modernisierungsarbeiten zunächst angedrohte, dann ausgesprochene fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung sei unwirksam.
Eine andere Kammer des LG hatte den Mieter, der das Mietobjekt seit seiner Geburt bewohnt, am 07.09.2021 zur Duldung mehrerer Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten verurteilt und ihn verpflichtet, den von der Klägerin beauftragten Handwerkern den Zutritt zur Ausführung der Arbeiten zu gewähren (63 S 415/19).
Mit mehreren Schreiben forderte die Vermieterin den Mieter zwischen Juli und September 2023 auf, für Baufreiheit zu sorgen und das Haus zu räumen, da die Immobilie in der Zeit der Bauphase nicht bewohnbar sei. Der Mieter erwiderte, dass er nur zur Duldung und Zutrittsgewährung, nicht aber zur vorübergehenden Räumung verurteilt worden sei.
Das LG teilt diese Auffassung. Der im Gesetz verwendete, dem vorangegangenen Urteil zugrunde liegende Begriff der Duldung erfasse kein aktives Handeln, sondern beschränke sich auf ein passives Zulassen der Maßnahmen und die Gewährung von Zutritt. Ein zur Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten verpflichteter Mieter müsse das Mietobjekt während der Bauarbeiten nicht auf bloßes Verlangen des Vermieters räumen. Dies komme allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, etwa dann, wenn die Maßnahmen bei einem baufälligen Haus nicht anders erledigt werden können.
Dafür seien weder dem Ankündigungsschreiben noch den außergerichtlichen Schreiben der Klägerin oder ihrem Vortrag im hiesigen Verfahren Anhaltspunkte zu entnehmen. Dagegen spreche vielmehr, dass die Maßnahmen in einem Reihenhaus vorgenommen werden sollen und demnach – anders als in einem Mehrfamilienhaus – isoliert geplant und durchgeführt werden können, ferner der Zustand des Hauses nach der Beschreibung der Maßnahmen im Ankündigungsschreiben. Den Aufforderungen der Vermieterin, das Haus zu räumen, habe daher eine rechtliche Grundlage gefehlt.
Nach dem vertraglichen Rücksichtnahmegebot sei vielmehr die Vermieterin ihrerseits verpflichtet gewesen, bei der Planung und Durchführung der Baumaßnahmen auf den betroffenen Mieter Rücksicht zu nehmen (hier: auf die gesundheitlichen Belange und das Alter des Mieters). Es erschließe sich für jedermann von selbst, dass im Rahmen der Planung der Ausführung baulicher Maßnahmen in einer Wohnung bei einem jungen, gesunden Mieter andere Belange zu berücksichtigen sind als bei einem Mieter, der das Alter von 80 Jahren bereits deutlich überschritten hat und/oder aus anderen, etwa gesundheitlichen Gründen besonders schutzbedürftig ist.
Davon gehe auch das Gesetz aus, das eine Pflichtverletzung des Vermieters vermutet, wenn eine bauliche Veränderung in einer Weise durchgeführt wird, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen (§ 559d Satz 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Das LG verweist weiter darauf, dass die Rücksichtnahmepflicht bei der Planung und Ausführung von Baumaßnahmen dabei unabhängig davon besteht, ob der Mieter fristgerecht einen Härteeinwand erhoben hat (§ 555d Absatz 2 BGB). Der Härteeinwand könne bereits die Duldungspflicht des Mieters ausschließen; das Rücksichtnahmegebot betreffe Pflichten des Vermieters bei bestehender Duldungspflicht.
Gegen das Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.
Landgericht Berlin II, Urteil vom 22.10.2024, 65 S 139/24