Wer wegen der Corona-Pandemie von einer Pauschalreise zurückgetreten ist, kann – auch wenn der Reiseveranstalter später insolvent geworden ist – noch eine Erstattung erhalten, und zwar vom Insolvenzversicherer. Denn die im EU-Recht vorgeschriebene Absicherung gegen die Insolvenz des Pauschalreiseveranstalters ist laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) auch dann anwendbar, wenn der Reisende aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände von der Reise zurücktritt.
2020 traten Reisende aus Österreich und Belgien wegen der Covid-19-Pandemie von ihren Pauschalreisen nach Gran Canaria beziehungsweise in die Dominikanische Republik zurück. Nach der Insolvenz ihrer Reiseveranstalter begehrten sie von deren Versicherern die Erstattung der von ihnen getätigten Zahlungen. Die Versicherer verweigerten dies: Sie hätten schließlich nur das Risiko versichert, dass die Reise wegen der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht durchgeführt werde. Hier seien die Reisen aber nicht durchgeführt worden, weil die Reisenden von ihnen zurückgetreten seien. Der Veranstalter sei erst später insolvent geworden.
Das österreichische und das belgische Gericht, die mit diesen Rechtsstreitigkeiten befasst sind, haben den EuGH um die Auslegung der Richtlinie über Pauschalreisen ersucht. Diese sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass Reiseveranstalter Sicherheit für die Erstattung aller von Reisenden oder in deren Namen geleisteten Zahlungen leisten, sofern die betreffenden Leistungen infolge der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht erbracht werden.
Laut EuGH ist die den Reisenden gewährte Absicherung gegen die Insolvenz des Pauschalreiseveranstalters auch dann anwendbar, wenn ein Verbraucher aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände von seiner Reise zurücktritt und der Reiseveranstalter nach diesem Rücktritt insolvent wird. Was diese Absicherung betrifft, gibt es keinen Grund, Reisende, deren Pauschalreise aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters nicht durchgeführt werden kann, anders zu behandeln als Reisende, die aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände von ihrer Reise zurückgetreten sind. Die Richtlinie sehe insbesondere vor, dass der Reisende im Fall des Rücktritts aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen hat. Diesem Anspruch würde seine praktische Wirksamkeit genommen, wenn, sollte der Veranstalter nach diesem Rücktritt insolvent werden, die Absicherung gegen eine solche Insolvenz nicht die entsprechenden Erstattungsforderungen erfassen würde.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 29.07.2024, C-771/22 und C-45/23