Ein Grundstückseigentümer kann ausnahmsweise keine Ansprüche aus einem gegenüber dem Nachbarn bestehenden „Fensterrecht“ ableiten, wenn bei Ausübung dieses Rechts die ausreichende Licht- und Luftzufuhr im Nachbarhaus nicht mehr gewährleistet wäre. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg entschieden.
Ein Grundstückseigentümer verlangte unter Berufung auf die bayerischen Nachbarrechtsvorschriften von seinen Nachbarn, die zu seinem Grundstück zugewandten Wohnraumfenster so umzubauen, dass ein Öffnen und ein Durchblicken bis zur Höhe von 1,80 Meter über dem Boden nicht möglich sind.
Er ist Eigentümer eines 2017 errichteten Einfamilienhauses, die Nachbarn wohnen seit 2019 auf dem Nachbargrundstück. Beide Grundstücke waren zunächst Teil eines größeren Grundstücks, das 2000 geteilt worden war. Infolgedessen wurde das Wohnhaus, in dem die in Anspruch genommenen Nachbarn wohnen, zu einem Grenzbau. Ihre Wohnung hat mehrere Fenster sowie eine Balkonfenstertür, deren Abstand zur Grundstücksgrenze des Klägers weniger als 60 Zentimeter beträgt.
Die Vorinstanz hatte den gegen die Grundstücksnachbarn geltend gemachten Anspruch, die auf der Grundstücksgrenze befindlichen Fenster großflächig blickdicht zu gestalten und geschlossen zu halten, zuerkannt. Anders das OLG: Zwar lägen die Voraussetzungen für das so genannte Fensterrecht vor. Die Durchsetzung des Anspruchs stelle sich hier aber in der Gesamtwürdigung als unbillige Härte dar und sei zu unterlassen, hält das OLG nach Abhaltung eines Ortstermins fest.
Maßgeblich sei zum einen, dass bis zu 80 Prozent der Fensterflächen von der blickdichten Gestaltung betroffen wären und eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr der Wohnung bei Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr gewährleistet wäre. Zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass bei einem dauerhaften Verschließen der Balkontür auch der notwendige zweite Fluchtweg nicht mehr gegeben wäre.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht zugelassen.
Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 18.06.2024, 6 U 2481/22, nicht rechtskräftig