Ein Schriftsatz, der aufgrund eines falsch angegebenen Aktenzeichens nicht rechtzeitig zur Verfahrensakte gelangt, ist dennoch fristgemäß bei Gericht eingegangen, wenn er sich aus anderen Gründen dem Verfahren eindeutig zuordnen lässt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, wie die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) meldet.
In einem Schadensersatzprozess hatte das Gericht einen Hinweis gegeben und die Frist zur Stellungnahme hierzu bereits verlängert, so die BRAK zum Sachverhalt. Als innerhalb der Frist keine Stellungnahme zu den Akten des Verfahrens gelangte, habe das Oberlandesgericht bereits einen Tag später die Berufung verworfen. Tatsächlich habe die Klägerin den besagten Schriftsatz aber rechtzeitig an das Gericht geschickt. Aufgrund eines Tippfehlers habe das Aktenzeichen jedoch mit „99“ statt mit „9“ begonnen, sodass der Schriftsatz zunächst gerichtsintern dem falschen Senat zugeordnet worden sei. Der zuständige Senat habe den Schriftsatz erst erhalten, nachdem er die Berufung bereits verworfen hatte.
Laut BGH hatte die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg. Die Vorinstanz müsse nun erneut über die Sache entscheiden.
Der BGH sah in der Entscheidung des OLG eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es sei nur entscheidend, dass der Schriftsatz innerhalb der Frist an das Gericht gelangt sei. Unerheblich sei dagegen, ob er innerhalb der Frist in die richtige Akte eingeordnet wird. Schließlich schreibe die Zivilprozessordnung die Angabe eines Aktenzeichens nicht vor. Die Angabe solle lediglich die Weiterleitung innerhalb des Gerichts erleichtern und für eine rasche Bearbeitung sorgen. Es handele sich um eine reine Ordnungsmaßnahme, die für die Sachentscheidung ohne Bedeutung sei, so der BGH.
Dem Schriftsatz müsse lediglich zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welchem Verfahren er eingereicht werden soll. Dies sei vorliegend der Fall gewesen: Die Parteien des Rechtsstreits seien korrekt angegeben gewesen, zudem sei durch die Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss deutlich geworden, auf welches Verfahren sich die Ausführungen bezogen.
Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 17.05.2024 zu Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2024, VI ZR 166/22