Die Verlängerung der Regelung, mit der in Thüringen die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen nicht geimpfter und nicht genesener Personen angeordnet worden war, war verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Landes auf einen Normenkontrollantrag der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag entschieden.
Die angegriffene Corona-Verordnung, mit der unter anderem die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen im Januar 2022 verlängert worden waren, genügte laut VerfGH nicht den formellen Begründungsanforderungen. Bei der Verlängerung bereits langandauernder und mit gravierenden Grundrechtseinschränkungen verbundener Maßnahmen wie den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sei es unerlässlich gewesen, dass – soweit trotz veränderter Sachlage von der Möglichkeit der Übergangsregelung des § 28a Absatz 9 Infektionsschutzgesetz (IfSG) (weiter) Gebrauch gemacht worden sei – die tatsächlichen Grundlagen für die fortbestehende Notwendigkeit einer solchen Maßnahme formal hinreichend deutlich aus der Verordnungsbegründung hervorgehen, so der VerfGH.
Die Regelung zu den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sei zudem wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit verfassungswidrig gewesen. Für die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen auf der Grundlage des § 28a Absatz 9 IfSG habe zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses ein besonders strenger Rechtfertigungsmaßstab gegolten, da der Bundesgesetzgeber zu diesem Zeitpunkt die gesetzgeberische Entscheidung getroffen habe, dass Ausgangsbeschränkungen grundsätzlich nicht mehr zulässig sein sollten. Der geringe Beitrag zur Pandemiebekämpfung, den die angegriffenen, mit einer Vielzahl von Ausnahmegründen versehenen und damit in ihrer Wirkung ganz erheblich reduzierten nächtlichen Ausgangsbeschränkungen zu leisten imstande waren, vermochte die Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung nach Ansicht des VerfGH gegenüber den nicht von den Ausnahmetatbeständen erfassten Personen nicht mehr aufzuwiegen.
Im Übrigen hat der Thüringer VerfGH den Normenkontrollantrag, der sich gegen eine Vielzahl weiterer Vorschriften der damaligen Corona-Verordnung richtete, als unzulässig verworfen. Die AfD-Fraktion sei insoweit den verfassungsprozessualen Darlegungsanforderungen nicht hinreichend nachgekommen.
Verfassungsgerichtshof Thüringen, Urteil vom 26.06.2024, VerfGH 4/22