Prozesskosten, die der unterlegenen Wohnungseigentümer-Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, gehören zu den Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Absatz 2 Satz 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf der Grundlage des 2020 reformierten Wohnungseigentumsrechts entschieden. Daher seien die Prozesskosten, soweit keine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen. Dies führe dazu, dass auch der obsiegende Beschlusskläger die Prozesskosten der unterlegenen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer anteilig mitfinanzieren muss.
Die drei Klägerinnen sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer jeweils einer der insgesamt acht Wohnungseigentumseinheiten. In der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 ist geregelt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden.
2021 fochten die Klägerinnen beim Amtsgericht (AG) einen von den Eigentümern gefassten Beschluss an. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dazu, die Kosten dieses Vorprozesses zu tragen. Im April 2022 beschlossen die Eigentümer, die Kosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollte je Wohnungseigentumseinheit ein Betrag von knapp 800 Euro gezahlt werden, mithin auch von jeder der Klägerinnen.
Gegen diesen Beschluss wenden diese sich mit ihrer Anfechtungsklage, die vor dem AG keinen Erfolg gehabt hatte. Auf die Berufung einer der Klägerinnen hat das Landgericht (LG) der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der Revision. Der BGH hat der Revision stattgegeben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt. Damit ist die Anfechtungsklage endgültig abgewiesen.
Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, so der BGH. Nach dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel seien die Prozesskosten des Vorprozesses auch auf die obsiegenden Anfechtungsklägerinnen umzulegen. Die Gemeinschaftsordnung sei dahin auszulegen, dass mit dem dort verwendeten Begriff der Verwaltungskosten auf die entsprechende, aktuell geltende gesetzliche Regelung Bezug genommen wird. Ob die Kosten des Vorprozesses zu den Verwaltungskosten gehören, sei daher nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden § 16 Absatz 2 Satz 1 WEG zu beurteilen. Die umstrittene Frage, ob hiernach Prozesskosten, die in Beschlussklageverfahren der unterlegenen Gemeinschaft auferlegt worden sind, auf alle Miteigentümer einschließlich der obsiegenden Kläger umzulegen sind, bejaht der BGH.
Beschlussklagen seien seit dem 01.12.2020 nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Absatz 2 Satz 1 WEG). Damit seien auch Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, Verwaltungskosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess zu beteiligen sind. Eine einschränkende Auslegung des § 16 Absatz 2 Satz 1 WEG unter Wertungsgesichtspunkten kommt laut BGH nicht in Betracht. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kostenfolge – insbesondere in kleinen Gemeinschaften – potentielle Beschlusskläger von einer Klage abhalten kann. Es fehle aber an einer planwidrigen Regelungslücke.
Dass der Gesetzgeber übersehen hat, dass § 16 Absatz 2 Satz 1 WEG aufgrund der nunmehrigen Parteistellung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Beschlussklagen auch die Kosten des obsiegenden Beschlussklägers erfasst, könne nicht angenommen werden. Auch die Rechtskraft der Kostenentscheidung des Vorprozesses habe keinen Einfluss auf den anzuwendenden Umlageschlüssel. Ob materiell-rechtliche Erstattungsansprüche der obsiegenden Beschlusskläger gegen die Gemeinschaft denkbar sind, hat der BGH offengelassen, weil derartige Ansprüche im Rahmen der Beschlussfassung über eine Sonderumlage grundsätzlich nicht berücksichtigt werden müssen.
Er hat zudem entschieden, dass der Beschluss auch nicht – wie das LG gemeint hatte – wegen eines Ermessensausfalls ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Zwar eröffne § 16 Absatz 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine vom vereinbarten beziehungsweise gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Verteilung zu beschließen. Eine derartige Entscheidung bedürfe aber einer gesonderten Beschlussfassung vor Erhebung der Sonderumlage. Solange eine Beschlussfassung zur Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Absatz 2 Satz 2 WEG nicht erfolgt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist, entspreche es ordnungsmäßiger Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden.
Ein Ermessen für die Anwendung eines anderen Kostenverteilungsschlüssels habe den Wohnungseigentümern bei der Beschlussfassung über die Sonderumlage daher nicht zugestanden. Der BGH hat darüber hinaus geklärt, dass ein solcher Beschluss auch nicht deswegen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, weil den Wohnungseigentümern – wie es hier möglicherweise der Fall war – nicht bewusst war, dass sie vorab einen anderen Kostenverteilungsschlüssel hätten beschließen können. Denn die Wohnungseigentümer dürften sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen. Sie seien nicht gehalten, vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.07.2024, V ZR 139/23