Beiträge an einen Solidarverein zur Erlangung von Krankenversicherungsschutz als Sonderausgaben abzugsfähig sind, wenn sich aus der Auslegung der Satzung und den weiteren Gesamtumständen ein Rechtsanspruch der Mitglieder auf Leistungen ergibt. Dies stellt das Finanzgericht (FG) Münster klar.
Die Kläger zahlten an einen Solidarverein Beiträge für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall. Bei diesem Verein handelt es sich ausweislich seiner Satzung um eine aufsichtsfreie Personenvereinigung und nicht um eine Krankenkasse oder Krankenversicherung. In der Satzung ist ferner geregelt, dass sich die Mitglieder gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zusichern, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Die Höhe der von den Mitgliedern zu leistenden Beiträge ist einkommensabhängig. Nach der Zuwendungsordnung besteht freie Therapiewahl und es wird ein Zuwendungsrahmen festgelegt, der Obergrenzen für einzelne Behandlungsleistungen enthält. In einem „Argumentarium“ werden die maßgeblichen Prinzipien des Vereins benannt, zu denen unter anderem das Prinzip „Zuwendung statt Anspruch“ gehört. Auch im Aufnahmebogen des Vereins ist die Formulierung enthalten, dass kein Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen bestehe.
Das Finanzamt erkannte den von den Klägern beantragten Sonderausgabenabzug für die Mitgliedsbeiträge nicht an, da es an einem Rechtsanspruch auf Leistungen fehle. Das FG Münster wies die hiergegen erhobene Klage im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 09.02.2022 ab. Der Bundesfinanzhof hob dieses Urteil mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2023 (X R 21/22) auf und verwies die Sache zurück.
Im zweiten Rechtsgang hat das FG Münster der Klage nunmehr weitgehend stattgegeben. Er hat den Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Krankheitsvorsorge anerkannt, nicht jedoch für die Beiträge zur Pflegeabsicherung.
Die für die Vorsorge im Krankheitsfall geleisteten Beiträge seien zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich, da der Ersatz der Krankheitskosten nach der Satzung das Niveau der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erreichen solle.
Obwohl die Satzung einen ausdrücklichen Leistungsanspruch nicht vorsehe, bestehe ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Leistungen im Krankheitsfall. Dies ergebe sich aus der Auslegung der Satzung und der weiteren Begleitumstände. Die rechtliche Selbsteinschätzung des Vereins, die einen Rechtsanspruch ausschließe, diene lediglich dem Zweck, eine aufsichtsrechtliche Einordnung als Krankenversicherung zu verhindern. Vielmehr ergebe sich aus der Satzung, dass in Fällen medizinischer Notwendigkeit ein Anspruch auf Leistungen bestehe, der demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche und auch ein entsprechendes Leistungsniveau garantiere.
Dies werde auch durch die von den Klägern übersandten Protokolle der Mitgliederversammlungen gestützt, aus denen sich über einen Zeitraum von acht Jahren keinerlei Streitigkeiten über Leistungsansprüche ergeben hätten. Auch im „Argumentarium“ fänden sich Anhaltspunkte dafür, dass die Mitglieder im Krankheitsfall verlässlich und vollumfänglich abgesichert seien. Da der Verein eine solche Absicherung im Krankheitsfall gewähre, sei unschädlich, dass er keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland habe.
Demgegenüber seien die der Pflegevorsorge dienenden Beiträge nicht als Sonderausgaben abzugsfähig, da nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung begünstigt seien.
Das FG hat zwar die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese wurde von den Beteiligten jedoch nicht eingelegt.
Finanzgericht Münster, Gerichtsbescheid vom 01.03.2024, 11 K 820/19 E, rechtskräftig