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Bei einem Beamten, der im Wege einer mehrfach verlängerten Versetzung über mehrere Jahre an einer Ausbildungsstätte eingesetzt wird, stellt die Ausbildungsstätte keine erste Tätigkeitsstätte dar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden.

Die zusammenveranlagten Kläger sind als Beamte im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Beide wurden 2012 beziehungsweise 2013 von ihrem jeweiligen Dienstort auf eine Stelle als Lehrperson in der Aus- und Fortbildung an eine Ausbildungsstätte versetzt. Die jeweilige Stelle war ausweislich der Stellenbeschreibung für die Dauer von vier Jahren zu besetzen mit der Möglichkeit zu einer einmaligen Verlängerung um maximal zwei Jahre. Vor Ablauf der vier Jahre verlängerte der Dienstherr den Verwendungszeitraum um weitere zwei Jahre und sodann vor Ablauf dieser zwei Jahre mehrmals um weitere zwei Jahre. Im Anschluss an die Verwendung in der Ausbildungsstätte sollte eine Versetzung aus dienstlichen Gründen an eine zu nennende „Wunschbehörde“ erfolgen.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2020 machten die Kläger die Fahrten zur Ausbildungsstätte als Reisekosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte demgegenüber nur die Entfernungspauschale, da die Kläger jeweils einer ersten Tätigkeitsstätte – der Ausbildungsstätte – zugeordnet seien.

Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Die angefallenen Fahrten seien nach Reisekostengrundsätzen mit den tatsächlich gefahrenen Kilometern und den von den Klägern erklärten Kosten zu berücksichtigen, da es sich nicht um Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gehandelt habe.

Nach der gesetzlichen Konzeption werde die erste Tätigkeitsstätte (§ 9 Absatz 4 Einkommensteuergesetz – EStG) vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien. Die Zuordnung könne dabei insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (beispielsweise im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) vorgenommen werden. Entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer aus der ex-ante-Sicht nach den arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden solle.

Im Streitfall seien die Kläger der Ausbildungsstätte nicht dauerhaft zugeordnet gewesen. Eine entsprechende dauerhafte dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung habe nicht vorgelegen. Die Kläger seien zwar im Wege der Versetzung der Ausbildungsstätte zugeordnet worden. Im Zeitpunkt der Versetzung habe jedoch noch das Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) in der Fassung vom 21.04.2009 gegolten, das – anders als § 25 Absatz 1 LBG NRW in der im Streitjahr 2020 gültigen Fassung – für die Versetzung keine zeitliche Komponente enthalten habe. Nach der beamtenrechtlichen Konzeption solle der Einzelne zwar grundsätzlich entweder im Rahmen einer kurzfristigen, vorübergehenden Abordnung eingesetzt werden oder durch eine dauerhafte Versetzung Rechtssicherheit für den Beamten geschaffen werden. Diese Trennung zwischen den beamtenrechtlichen Rechtsinstituten werde in der Praxis jedoch nicht immer eingehalten, sodass es – wie im Streitfall – auch zu zeitlich befristeten Versetzungen komme, so das FG. Sofern der Bedienstete – entgegen der ursprünglichen Konzeption – von vornherein nur zeitlich begrenzt versetzt werde, schlage die beamtenrechtliche Konzeption nicht auf die steuerrechtliche Beurteilung durch.

Demnach habe keine dienstrechtliche Festlegung oder Weisung vorgelegen, wonach die Kläger dauerhaft ihren Dienst in der Ausbildungsstätte verrichten sollten. Auch seien die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelvermutung nach § 9 Absatz 4 Satz 3 EStG nicht erfüllt. Nach den Festlegungen des Dienstherrn hätten die Kläger zunächst nur vorübergehend für einen Zeitraum von vier Jahren und damit für einen Zeitraum von nicht mehr als 48 Monaten ihren Dienst in der Ausbildungsstätte verrichten sollen. Die nachfolgende mehrfache Verlängerung der Verwendungszeiträume um jeweils zwei Jahre führe zu keiner Änderung.

Die Ausbildungsstätte sei auch nicht nach § 9 Absatz 4 Satz 4 EStG anhand quantitativer Erwägungen als erste Tätigkeitsstätte anzusehen, entschied das FG weiter. Zwar seien die Kläger seit mehr als acht beziehungsweise neun Jahren typsicherweise mehrmals in der Woche dort tätig gewesen. Nach dem Wortlaut des § 9 Absatz 4 Satz 4 EStG müssten diese Voraussetzungen jedoch dauerhaft vorliegen. Diese Beurteilung sei – wie auch bei § 9 Absatz 4 Satz 2 EStG – aus ex-ante-Perspektive und nicht aus ex-post-Sicht vorzunehmen. Aus ex-ante-Sicht hätten die Kläger weder zu Beginn der von vornherein zeitlich befristeten Versetzung noch im Zeitpunkt der jeweiligen Verlängerungsentscheidung für jeweils mehr als 48 Monate in der Ausbildungsstätte tätig werden sollen. Dem Dienstherrn sei es nach dem konkreten Konzept gerade auf den flexiblen und zeitlich befristeten Einsatz der Kläger an der Bildungseinrichtung angekommen.

Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 02.09.2024, 15 K 698/22 E