„Darum benötigt Ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener“ – mit solchen Aussagen hat der Babynahrungshersteller Hipp für mit Vitamin D angereicherte Kindermilch geworben. Doch die Werbung im Internet und auf der Verpackung sei irreführend, entschied das Oberlandesgericht (OLG) München nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Nach dem Urteil darf Hipp künftig nicht mehr den Eindruck erwecken, Kinder benötigten 7x mehr an Vitamin D als Erwachsene.
Laut vzbv hatte Hipp auf seiner Internetseite für die Produkte „Hipp Kindermilch COMBIOTIK ab 1+ Jahr“ und „Hipp Kindermilch COMBIOTIK ab 2+ Jahre“ mehrfach einen im Vergleich zu Erwachsenen stark erhöhten Vitamin-D-Bedarf von Kindern hervorgehoben. „7x mehr brauchst du als ich, wirst groß, gesund – ganz sicherlich“ und „7x mehr Vitamin D, starke Knochen bis zum Zeh“ hieß es unmittelbar über den Produktfotos mit dem Aufdruck „mit viel Vitamin D“. Weiter unten auf der Webseite sei das bekräftigt worden: „Darum benötigt Ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener.“ Erst durch Klick auf eine Schaltfläche hätten die Verbraucher erfahren, dass damit der relative Mehrbedarf von Kindern gegenüber Erwachsenen pro Kilogramm Körpergewicht gemeint war. Der absolute Bedarf an Vitamin D sei bei Erwachsenen und Kindern gleich hoch.
Ähnlich habe Hipp auf der Verpackung geworben: In der Zusammenstellung des Produkts sei berücksichtigt, dass Kinder drei Mal mehr Calcium und sieben Mal mehr Vitamin D als Erwachsene benötigen. Lediglich aus einer schwer verständlichen Fußnote ging laut vzbv hervor, dass dies nur „pro kg KG (EFSA 2013, Erwachsene 80 kg, Kleinkinder 12 kg)“ gilt.
Das OLG München schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass die Hipp-Werbung gegen die Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union verstieß, nach der nährwertbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen. Dabei komme es auf den Gesamteindruck an, den die Werbung bei den angesprochenen Verbrauchern hervorrufe. Jedenfalls ein erheblicher Teil derselben würde die strittigen Aussagen so verstehen, dass ein Kind im Vergleich zu einem Erwachsenen die siebenfache Gesamtmenge an Vitamin D benötige und die beworbenen Produkte geeignet seien, diesen vermeintlichen Mehrbedarf zu decken. Das treffe aber nicht zu.
Hipp habe zwar darauf hingewiesen, dass es sich um einen Vergleich pro Kilogramm Körpergewicht handelt. Die Hinweise seien jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, um die Irreführung zu beseitigen. Es sei nicht gewährleistet, dass sie überhaupt wahrgenommen würden.
Vor drei Jahren habe das OLG München die Klage des vzbv im gleichen Verfahren noch abgewiesen. Dagegen sei der vzbv in Revision gegangen, so der Verband. Anschließend habe der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG München zurückverwiesen. Unter Beachtung der vom BGH genannten Grundsätze zum Gesamteindruck der Werbung habe das Gericht nunmehr der Klage des vzbv in vollem Umfang stattgegeben. Damit habe das OLG auch das Urteil des Landgerichts München aus dem Jahr 2020 (39 O 15946/19) bestätigt.
Hipp hat nach Angaben des vzbv die beanstandeten Passagen auf seiner Website mittlerweile angepasst. Ob auch die auf der Verpackung beanstandete Aussage geändert wurde, prüfe der vzbv aktuell.
Verbraucherzentrale Bundesverband, PM vom 10.09.2024 zu Oberlandesgericht München, Urteil vom 11.04.2024, 29 U 3902/20, rechtskräftig