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§ 193 Absatz 1 Abgabenordnung (AO) eröffnet die grundsätzlich voraussetzungslose Möglichkeit, die steuerlichen Verhältnisse eines verstorbenen Einzelunternehmers zu prüfen. Die Erben haben eine entsprechende Außenprüfung zu dulden. Dies stellt das Finanzgericht (FG) Hessen klar.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Erblasser bis zu seinem Tod ein Baugewerbe betrieben und daraus Einkünfte erzielt. Die Erben wandten sich gegen eine die steuerlichen Verhältnisse betreffende Prüfungsanordnung wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Die Klage blieb erfolglos.

Eine Außenprüfung sei gemäß § 193 Absatz 1 Abgabenordnung zulässig unter anderem bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Nach dem Wortlaut des § 193 Absatz 1 AO könne die Außenprüfung zwar nur bei Steuerpflichtigen durchgeführt werden, die noch im Zeitpunkt der Prüfung einen gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind. Das, so das FG, entspreche aber nicht dem Zweck der Vorschrift, die die steuerlichen Verhältnisse von Unternehmern für besonders prüfungsbedürftig hält. Deshalb müsse es die Möglichkeit geben, die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann nach § 193 Absatz 1 AO zu prüfen, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben. Gleiches gelte beim Tod des Unternehmers für dessen Erben. Auf diesen gehe als Gesamtrechtsnachfolger die Steuerschuld des Erblassers und damit auch die Verpflichtung aus Steuernachforderungen über (§ 45 Absatz 1 AO); soweit die Steuerschuld auf der unternehmerischen Betätigung des Erblassers beruht, könne bei ihm auch eine Außenprüfung nach § 193 Absatz 1 AO stattfinden.

Ausgehend vom reinen Wortlaut des § 193 Absatz 1 AO wiesen die Kläger zwar zutreffend darauf hin, dass sie persönlich die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllen, da sie das Unternehmen des Erblassers nach dessen Tod selbst nicht fortgeführt und somit keinen gewerblichen Betrieb unterhalten haben. Allerdings dürfe das Finanzamt von der Ermächtigung zur Anordnung einer Außenprüfung auch gegenüber den Klägern Gebrauch machen und war laut FG berechtigt, bei ihnen als Gesamtrechtsnachfolgern eine Außenprüfung für das gewerbliche Unternehmen des Erblassers anzuordnen. Dies ergibt sich für das Gericht daraus, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift über den reinen Wortlaut hinausgeht und eine Außenprüfung mithin auch dann zulässig ist, wenn das Unternehmen veräußert, aufgegeben, handelsrechtlich beendet oder liquidiert wurde, sowie auch dann, wenn der Unternehmer verstorben ist.

Finanzgericht Hessen, Urteil vom 10.05.2023, 8 K 816/20, nicht rechtskräftig