Auf dem Gelände der mittlerweile stillgelegten Kernkraftwerke Philippsburg dürfen – zumindest vorerst – erstmals radioaktive Abfallprodukte aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague eingelagert werden. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden.
In dem Standort-Zwischenlager werden bereits seit 2007 radioaktive aufbewahrt. Gegen die Genehmigung der Einlagerung der neuen Castor-Behälter aus La Hague hatten die Stadt Philippsburg und mehrere Eigentümer privater Grundstücke in der Nähe des Zwischenlagers geklagt und zudem Eilrechtsschutz beantragt, weil die neuen Castor-Behälter noch in diesem Jahr nach Philippsburg verbracht werden sollen.
Der VGH hat die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Änderungsgenehmigungen abgelehnt. Bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren dürften die CASTOR-Behälter eingelagert werden.
Zur Begründung führt er aus, mit den angegriffenen Änderungsgenehmigungen werde die Anzahl der in Philippsburg bereits bisher zur Aufbewahrung genehmigten Castor-Behälter nicht erweitert, sondern ein anderes radioaktives Inventar in Behältern anderer Bauart gestattet. Eine zusätzliche Exposition der Bevölkerung durch Direktstrahlung oder Ableitungen radioaktiver Stoffe sei damit nicht verbunden. Die maßgeblichen Grenzwerte würden weiterhin deutlich unterschritten.
Die von den Antragstellern befürchteten kriegsbedingten Einwirkungen im Rahmen einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland seien bei der Auslegung kerntechnischer Anlagen nicht zu berücksichtigen. Denn diese ließen sich „beliebig stark denken“. Wirksamer Schutz könne letztlich nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden.
Davon zu unterscheiden sind laut VGH Szenarien terroristischer Anschläge, auch wenn sie im Rahmen einer so genannten hybriden Kriegsführung auf Veranlassung eines Staats erfolgen. Aus Sicht des VGH bestehen nach den derzeitigen Erkenntnissen keine konkreten Anhaltspunkte, dass das Zwischenlager gegen Sabotageakte oder terroristische Anschläge nicht hinreichend gesichert ist. Das Risiko derartiger Szenarien werde durch die Sicherheitsbehörden regelmäßig bewertet, im Rahmen eines geänderten Sicherheitskonzepts würden aktuell mehrere baulich-technische Maßnahmen umgesetzt.
Hinsichtlich der Fragen, inwiefern moderne Waffensysteme, deren Einsatz die Antragsteller geltend gemacht haben, bei den zu unterstellenden Szenarien berücksichtigt wurden und ob der zufällige Absturz eines bewaffneten Kampfflugzeugs praktisch ausgeschlossen und deshalb von der Genehmigungsbehörde zu Recht dem „Restrisiko“ zugeordnet worden ist, gegen das keine Schadensvorsorge verlangt werden könnte, sah der VGH punktuell weiteren Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren.
Insoweit habe aber eine Interessensabwägung zur Ablehnung der Eilanträge geführt. Der VGH wies darauf hin, dass sich die Bundesrepublik gegenüber Frankreich zur Rücknahme der Behälter bis Ende 2024 vertraglich verpflichtet hat. Auch seien zur Durchführung des Transports langfristige zeitintensive Vorbereitungen getroffen worden. Zudem würden durch den Vollzug der Genehmigungen keine irreversiblen Tatsachen geschaffen: Die Behälter könnten im Fall eines Erfolgs der Klage – jedenfalls bei intaktem Deckelsystem – jederzeit ausgelagert werden.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.11.2024, 10 S 1555/24, unanfechtbar