Es bleibt bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln, die Ausweisung und Abschiebung eines zur salafistischen Szene gehörenden Predigers aus Bonn vorläufig zu stoppen. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde der Stadt Bonn hatte vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen keinen Erfolg.
Die Stadt hatte gegen den Antragsteller eine Ausweisungsverfügung erlassen, ihm die Abschiebung in den Kosovo angedroht und eine Wiedereinreisesperre von 20 Jahren verhängt. Denn der Antragsteller gefährde als Anhänger des (jihadistischen) Salafismus die freiheitliche demokratische Grundordnung. Jedenfalls aber gehe von ihm eine solche Gefahr aus wegen seiner vielfältigen Tätigkeiten als Prediger, als zuführender Akteur für die radikale Szene und wegen seiner Kontakte zu führenden salafistischen Predigern, Mixed-Martial-Arts-Kämpfern und Mitgliedern der so genannten Clan-Szene. Dies rechtfertige trotz seiner familiären Bindungen seine Ausweisung und Abschiebung in den Kosovo.
Ein dagegen gerichteter Eilantrag des Betroffenen hatte beim VG Köln Erfolg. Auf der Grundlage des von der Stadt vorgelegten Materials lasse sich nicht feststellen, ob das erforderliche öffentliche Ausweisungsinteresse bestehe, so die Richter. Die aktuelle Gesetzeslage lasse nicht die Annahme zu, dass Anhänger des politischen Salafismus ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellten. Dass von dem Antragsteller selbst eine solche Gefahr ausgehe, sei nicht belegt. Die in diesem Fall erforderliche offene Interessenabwägung falle zugunsten des Antragstellers aus. Für diesen streite aufgrund der Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau und seinen drei noch recht jungen deutschen Kindern ein schwerwiegendes Bleibeinteresse. Demgegenüber sei eine aktuelle Gefährdungslage durch den Prediger nicht zu erkennen.
Das OVG sah keine Gründe, den Beschluss des VG zu ändern. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevortrags sei derzeit eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch den Antragsteller nicht mit der erforderlichen Sicherheit anzunehmen. Dass dieser, wie von der Stadt Bonn behauptet, Teil eines salafistisch-jihadistischen Radikalisierungszirkels sei und Gläubige zu radikaleren Predigern „geschleust“ habe, sei durch das vorgelegte Material nicht hinreichend wahrscheinlich belegt. Dieses beruhe vielmehr zu erheblichen Teilen auf bloßen Annahmen, die durch das Gericht im Eilverfahren nicht weiter überprüft werden könnten.
Soweit erstmals Anfang Oktober 2024 eine (vor einem Jahr durchgeführte) polizeiliche Vernehmung einer anonymen Szenequelle zu mutmaßlichen Plänen für Gewalttaten in das Verfahren eingeführt worden ist, verlange das Recht auf ein faires Verfahren eine differenzierte Wertung, da keine Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage auf dieser Grundlage möglich sei. Das VG sei zu der nachvollziehbar begründeten Einschätzung gelangt, dass Planungen für gewalttätige Aktionen gerade nicht zu ermitteln seien. Der hiergegen im Beschwerdeverfahren angeführte fast 20 Jahre alte Zeitungsartikel stelle diese Bewertung nicht in Frage.
Die Stadt Bonn habe im Beschwerdeverfahren auch die für den konkreten Einzelfall durchgeführte Interessenabwägung des VG nicht in Zweifel gezogen. Gefahren, die vom Antragsteller konkret ausgingen und wegen derer er die Ausweisung und Abschiebung in den Kosovo zunächst hinzunehmen habe, seien auch weiterhin nicht benannt worden. Demgegenüber stehe der verfassungsrechtliche Schutz der Familie. Dabei sei – den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgend – maßgeblich auf die Sicht der betroffenen Kinder abzustellen. Ob die Bindung des Antragstellers und der Kinder in diesem Fall tatsächlich so schützenswert ist, müsse gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.10.2024, 18 B 950/24, unanfechtbar