Der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer soll für das Jahr 2024 um 180 Euro auf 11.784 Euro steigen. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 (BT-DRs. 20/12783) vor, der am 26.09.2024 zusammen mit dem Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes (BT-Drs. 20/12778) erstmals im Bundestag beraten wurde. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die beiden Gesetzentwürfe zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss.
„Die Bundesregierung unterbreitet Ihnen heute im Kern drei Vorschläge“, erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu Beginn der Aussprache. „Wir stärken die Abschreibungen und bauen die Forschungszulage aus“, sagte er. So sollten private Investitionen stimuliert werden. Das zweite Anliegen: „Wir wollen den Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöhen.“ Als dritten Punkt nannte er die Überführung der bisherigen Steuerklassen III und V in die Steuerklasse IV mit Faktorverfahren.
„Sie haben hier durchaus brauchbare Maßnahmen, die wir begrüßen“, konstatierte Mathias Middelberg für die CDU/CSU-Fraktion. Er lobte die Anpassung der tariflichen Eckwerte in der Einkommensteuer zum Ausgleich der so genannten Kalten Progression sowie die Erhöhung von Freibeträgen und der degressiven Abschreibung im Unternehmenssteuerrecht. Auf Ablehnung in der Unionsfraktion stößt dagegen die Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren für Steuerklasse IV. Auch die Anzeigepflicht innerstaatlicher Steuergestaltung für Unternehmen kritisierte die größte Oppositionsfraktion, warnte vor „unnötiger Bürokratie“. Middelberg: „Deswegen werden wir nicht zustimmen können.“ Er forderte dagegen eine „gute Unternehmensteuerreform“.
Michael Schrodi wies für die SPD-Fraktion darauf hin, dass die Ampelkoalition bereits Entlastungen „von 50 Milliarden Euro auf den Weg gebracht“ habe. Schrodi lobte die nun geplanten Entlastungen, erklärte aber auch: „Beim Kindergeld gibt es noch Gesprächsbedarf in der Koalition.“ Derzeit sieht der Gesetzentwurf vor, das Kindergeld 2025 um fünf auf 255 Euro und 2026 um weitere vier auf 259 Euro zu erhöhen. Schrodi verteidigte auch Maßnahmen zur „Rechtssicherheit“ für gemeinnützige Vereine. Darauf ging auch seine Fraktionskollegin Nadine Heselhaus ein. Gemeinnützige Vereine wollten wissen, „ob sie, wenn sie zu einer Demo gegen Rechts aufrufen, ihre Gemeinnützigkeit verlieren“, erklärte sie. „Das ist Basisdemokratie. Dass die AfD davon nichts hält, haben wir gerade mitbekommen.“
Deren Redner Albrecht Glaser hatte zuvor die Regelung kritisiert, derzufolge sich gemeinnützige Organisationen künftig auch gelegentlich politisch äußern dürfen sollen, ohne ihren Status der Gemeinnützigkeit zu verlieren. Insgesamt greifen die steuerlichen Entlastungen der Regierungsentwürfe aus Sicht der AfD zu kurz. Deren Redner Klaus Stöber kritisierte zunächst, dass die höheren Freibeträge 2024 erst jetzt beschlossen würden. Die steuerlichen Senkungen reichten nicht. „Die Bürger erwarten eine grundlegende Steuerreform“, sagte Stöber.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hob Katharine Beck hervor, dass die Maßnahmen zu einer Entlastung von mehr als 21 Milliarden Euro führten. Das sei dreimal mehr als im Wachstumschancengesetz (BT-Drs. 20/9341) angelegt gewesen sei, das die Union allerdings im Bundesrat „auf drei Milliarden Euro reduziert“ habe.
„Wir sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Maßnahmen aus der Wachstumsinitiative so schnell wie möglich beschließen“, forderte Beck. Sie verwies auf eine Studie, der zufolge die 49 Punkte, die die Bundesregierung beschlossen hat und von denen nun die ersten mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz umgesetzt würden, 0,4 Prozent mehr Wachstum brächten.
Markus Herbrand sagte für die FDP-Fraktion: „Heute geht es um große Gesetze, das sind große Maßnahmen. Wir haben eine große strukturelle Wachstumsschwäche, die nicht erst in den vergangenen drei Jahren angefangen hat.“ Die Überschrift über die beiden Gesetze könne nur lauten: „Entlastung“. Nötig sei jetzt „Tempo“ bei der Umsetzung.
Christian Görke kritisierte für die Gruppe Die Linke, dass die Steuermindereinnahmen zu 60 Prozent zulasten der Länder gingen. Außerdem profitierten von den Steuerentlastungen größtenteils Gutverdiener, beklagte Görke. Normalverdiener würden steuerlich deutlich weniger entlastet, müssten aber zugleich höhere Sozialabgaben zahlen. Zur Erhöhung des Kindergelds um fünf Euro sagte er: „Das ist wirklich lächerlich.“
Neben dem erhöhten Grundfreibetrag ist im Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/12783) auch der Anstieg des steuerlichen Kinderfreibetrags um 228 Euro auf 6.612 Euro vorgesehen. Die Bundesregierung begründet die Notwendigkeit der Erhöhung damit, dass zum 01.01.2024 die Leistungen im Sozialrecht stärker gestiegen sind als noch 2022 im Existenzminimumbericht prognostiziert.
„Dies wirkt sich auf die Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums für das Jahr 2024 aus“, erklärt sie und schreibt weiter: „Nach Aktualisierung der Datenbasis infolge der höheren Fortschreibung der sozialrechtlichen Regelbedarfe ergibt sich ein Anpassungsbedarf bei den steuerlichen Freibeträgen zur Freistellung des sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen bzw. Kindern.“
Im Jahr 2025 werde die Erhöhung der steuerfreien Einkommen zu Steuermindereinnahmen von 3,3 Milliarden Euro führen, erwartet die Bundesregierung. 491 Millionen Euro entfallen der Kalkulation zufolge dabei auf die Kommunen und jeweils rund 1,4 Milliarden Euro auf die Länder und den Bund.
Mit ihrem zweiten Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/12778) bringt die Bundesregierung erste Maßnahmen ihres Wachstumspakets auf den parlamentarischen Weg. Neben der Erhöhung von Freibeträgen in der Einkommensteuer und des Kindergeldes sowie der Anpassung des Steuertarifs zum Inflationsausgleich sind unter anderem auch die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung und Erweiterungen bei der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter vorgesehen.
Insgesamt erwartet die Bundesregierung, dass die Maßnahmen in dem Gesetzentwurf 2025 zu Mindereinnahmen von 3,4 Milliarden Euro beim Bund, 2,8 Milliarden Euro bei den Ländern und 1,1 Milliarden Euro bei den Gemeinden führen werden. Bis 2028 müssten die öffentlichen Haushalte demnach insgesamt mit einem jährlichen Minus von 27,3 Milliarden Euro kalkulieren.
Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass die Steuerklassen III und V, die Verheiratete wählen können, künftig entfallen und in die Steuerklasse IV mit Faktor überführt werden. Für alle Arbeitnehmer, die in die Steuerklassen III oder V eingestuft sind, soll automatisiert ein Faktor anhand der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten aus den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen gebildet werden. Der automatisierte Faktor soll anstelle der Steuerklassen III oder V den Arbeitgebern für den Lohnsteuerabzug um Abruf bereitgestellt werden.
Deutscher Bundestag, PM vom 26.09.2024