Der Unfall eines gesetzlich unfallversicherten Fahrtrainers kann auch dann unter den Schutz der Unfallversicherung fallen, wenn er sich bei einer Fahrt ohne Kunden ereignet. Dies zeigt ein vom Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschiedener Fall.
Ein selbstständiger Motorrad-Fahrtrainer erlitt eine Luxation der linken Schulter, als er bei einer allein unternommenen Fahrt in einer Kurve stürzte. Der Unfallort lag etwa 50 Kilometer von seinem Wohn- und Unternehmenssitz entfernt. Seiner gesetzlichen Unfallversicherung teilte er mit, er habe am nächsten Tag einen Schüler mit speziellen Problemen bei Serpentinen gehabt und sei deswegen auf der Suche nach der passenden Strecke für die Schulung gewesen. Er könne sein Fahrtraining nur ordentlich durchführen, wenn er perfekte Orts- und Straßenkenntnisse habe. Umso wichtiger sei dies am Anfang der Saison, da sich über den Winter Straßen oft gravierend verändern würden.
Die Unfallversicherung erkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall an, da es sich um eine unversicherte Vorbereitungshandlung gehandelt habe. Vorbereitende Tätigkeiten wie zum Beispiel eine „Erkundigungsfahrt“ zur Arbeit seien grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Ausnahmsweise seien Vorbereitungshandlungen unter anderem versichert, wenn der jeweilige Versicherungstatbestand nach seinem Schutzzweck auch Vor- und Nachbereitungshandlungen erfasse, die für die versicherte Hauptverrichtung im Einzelfall notwendig sind und in einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Hier fehle es an einem engen Zusammenhang zwischen der behaupteten Vorbereitungshandlung und der erst am Folgetag vorgesehenen versicherten Tätigkeit.
Nachdem das Sozialgericht Reutlingen die Klage in erster Instanz abgewiesen hatte, hatte der Kläger mit seiner Berufung Erfolg. Das LSG Baden-Württemberg stellte fest, dass der fragliche Unfall ein Arbeitsunfall gewesen ist. Die Unfallfahrt habe zur versicherten Tätigkeit des Fahrtrainers gehört. Dieser sei zu seiner unfallbringenden Motorradfahrt allein deswegen aufgebrochen, um für seine am nächsten Tag geplante Trainingsfahrt eine geeignete und sichere Strecke zu testen. Das habe objektiv dem Ziel seines versicherten Unternehmens gedient und hierzu auch nicht in einem wirtschaftlichen Missverhältnis gestanden.
Zwar könne es unwirtschaftlich erscheinen, für ein Fahrsicherheitstraining von circa einem halben Tag Dauer eine so weit vom Wohnsitz entfernte Strecke zu wählen, und diese dann auch noch am Vorabend auf eigene Kosten abzufahren. Insoweit sei aber wiederum der Hinweis des Trainers nachvollziehbar, dass er den Fahrschüler bereits auf der Hinfahrt zu der Strecke professionell beobachte. Zudem sei eine solche Erkundungsfahrt auch nach den Einlassungen des Trainers nicht die Regel und hier vorrangig dem Beginn der Motorradsaison und den hiermit verbundenen Unwägbarkeiten bezüglich geeigneter Straßenbeläge geschuldet gewesen.
Sofern – wie hier – festzustellen sei, dass eine Tätigkeit selbst als versicherte Tätigkeit anzusehen ist, könne diese nicht mehr als unversicherte Vorbereitungshandlung qualifiziert werden. Es habe zur seriösen Geschäftsausübung des Fahrtrainers gehört, dass er Fahrsicherheitstrainings nicht auf Strecken anbot, die nach der Winterpause ein unbekanntes Gefahrenpotential aufwiesen. Das Abfahren der Strecke sei daher objektiv sinnvoll und Teil der den Fahrschülern geschuldeten Hauptleistung als vertragliche Nebenpflicht, durch geeignete Maßnahmen eine Gefährdung der Fahrschüler so weit wie möglich und vertretbar zu reduzieren.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.02.2024, L 8 U 3350/22